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Schraubertipp: Trommelbremsbeläge beim Lkw wechseln

Au Backe: Trommelbremsbeläge beim Lkw wechseln

Vorbemerkung: Die Bremsen gehören zu den sicherheitsrelevanten Bauteilen eines Fahrzeugs und Arbeiten daran sollten einem ausgebildeten Fachmann vorbehalten bleiben. So gesehen hat das Thema eigentlich gar nichts in einem Wohnmobil-Ausbaubuch oder der dazugehörenden Website zu suchen. Das ist die eine Seite. Die andere ist, dass sich die Leser eines Fernreisemobil-Ausbaubuches (hoffentlich immer öfter) weit abseits heimischer Gefilde aufhalten. Und sollte es da Probleme mit den Bremsen geben, freut man sich, wenn man auf ein bisschen Erfahrungswissen (kein Fachwissen!!!) zurückgreifen kann.

Deshalb möchte ich hier den Wechsel meiner Bremsbeläge, den ich selbst vorgenommen habe, als kleine Technikstory zum Besten geben, um Menschen in der oben beschriebenen Situation ein wenig Hilfestellung zu leisten. Vor allem aber auch, um Fernreisende dazu anzuregen, sich mit den nötigen Ersatzteilen auszustatten, die im fernen Irgendwo vielleicht noch deutlich schwerer zu beschaffen sind, als hierzulande. Ich möchte damit nicht suggerieren, das der Bremsbelagwechsel "Kindergeburtstag" ist und von jedem mal eben gemacht werden kann. Andererseits ist er auch kein Hexenwerk und wenn man versteht, wie die Bremsen funktionieren, kann man sich in einer Notsituation vielleicht selbst helfen.

Deshalb nun zur Story:

"Bremsbeläge wechseln beim Lkw dürfte ja eigentlich nicht so schwer sein" dachte ich mir und hatte dabei noch die Bremsbelagwechsel an meinen „alten Möhren“ im Kopf, die ich im zarten Teen- und Twen-Alter pilotierte und die teilweise noch per Trommel eingebremst wurden.

So mache ich mich munter ans Werk, die Beläge auf der Vorderachse unseres "Sternchens" zu tauschen, denn sie sind der Verschleißgrenze schon ziemlich nahe gekommen, wie man auf dem Bild unten erkennen kann. Wer es nicht kennt, das Sternchen, es handelt sich um einen Mercedes 914 AK Allrad-Truck, den ich zum gemütlichen Expeditionsmobil umfunktioniert habe.

Will man sich den Belagwechsel also selbst antun, kann man dabei wie folgt vorgehen:

 
1. Lkw gegen Wegrollen sichern. Also Gang rein, Handbremse rein und die Hinterachse und das am Boden verbleibende Vorderrad gegen Wegrollen sichern. Will man die Bremsbeläge auf der Hinterachse wechseln, darf die Handbremse nicht betätigt werden, weil man sonst die Bremstrommeln nicht herunter bekommt.

Vor dem Hochbocken des Fahrzeugs die Radschrauben leicht lösen, aber noch nicht abnehmen!

Wichtig: Nach dem Hochbocken des Fahrzeugs ist dieses mittels Unterstellböcken zu sichern!
Radmuttern lösen, Rad abnehmen und Bremstrommel von den Radnabe abziehen (sie ist nur draufgesteckt). Bremstrommel auf Riefen überprüfen.

 

 

Der Bremsbelag hat fast schon das Niveau der Nietenköpfe erreicht.

Wechselt man jetzt nicht die Beläge, riskiert man erstens eine immer schwächer werdende Bremsleistung, zweitens tiefe Riefen in den Bremstrommeln, so dass man diese ausdrehen lassen muss. Also lieber früher als später wechseln.

 

2. Obere Befestigung der Bremsbeläge lösen:

Die Bremsbeläge werden mit zwei Zugfedern von der Bremstrommel auf den Radbremszylinder zurückgezogen, so dass sie nicht an der Bremstrommel schleifen. Beim Bremsen spreizt sich der Radbremszylinder und presst die Beläge nach außen auf die Bremstrommel, die mit dem Rad verschraubt ist und dieses abbremst.

Mit einem Holzkeil hindert man die Bremsbeläge, sich zu verschieben.

Zunächst gilt es, die beiden Zugfedern auszuhängen (im Bild oben bereits geschehen, was nicht der Ausbaureihenfolge entspricht). Für diese Arbeiten hat es sich als sinnvoll erwiesen, je ein Holzstück zwischen den Bremsbelägen und dem Bremsschild einzuklemmen, um ein Verschieben der Bremsbacken zu verhindern. Das ist insbesondere beim Einbau sehr wichtig, wenn man versucht, mit Hebelkraft die Federn wieder einzuhängen. Es empfiehlt sich, die Federn bei dieser Gelegenheit gleich mit zu tauschen, die alten Federn aber auf Reisen mitzunehmen. Denn sollte mal eine Feder brechen, was schon mal passieren kann, dann schaut man blöd aus der Wäsche, weil man die unterwegs tendenziell eher nicht bekommt. 

Zum Aushängen der Zugfedern kann man einen langen Schraubendreher, einen stabilen, spitzen Dorn oder eine ähnliches Werkzeug verwenden, dessen Spitze in die Schlaufe der Feder passt. Das Werkzeug sollte so lang sein, dass man einen ausreichend großen Hebel oberhalb des Bremsbackens hat, um die Feder zu spannen und mit einer Bewegung hin zum Fahrzeug aus ihrer Verankerung zu lösen. Beim Einbau der Federn ist identisch vorzugehen.

 

Mit etwas Übung ist das Aus- und Einhängen der Zugfedern ein Kinderspiel.
 

3. Untere Befestigung der Bremsbacken lösen

Die Bremsbacken sind unten auf Bolzen drehbar gelagert. Die Bolzen verfügen über eine Nut, in die ein keilförmiges Sicherungsbleich eingeschoben ist, das von einer Schraube fixiert wird. Um die Bremsbacken auszubauen löst man zunächst diese Schraube, die ihrerseits mit einem Sicherungsblech gesichert ist. Danach kann man das keilförmige Sicherungsblech mit einem Hammer herausschlagen oder mit einem Montiereisen heraushebeln.


Ein keilförmiges Sicherungsblech hält die Bremsbackenbolzen in Position.

Danach dreht man mit einer Kombizange die Bolzen langsam soweit heraus, bis die Bremsbacken entfernt werden können. Der komplette Ausbau der Bolzen ist nicht notwendig.

 


Nach der Ausdrehen der Bolzen können die Bremsbacken entnommen werden.



Damit ist der Ausbau der Bremsbeläge bewältigt.

 

4. Beschaffung der Bremsbeläge

Als nächstes folgt die Beschaffung der neuen Bremsbeläge, was für mich so manche Überraschung in sich birgt. Denn ich bin davon ausgegangen, dass mit der Fahrgestellnummer auch die Teilenummer für die Beläge klar sei, genauso wie deren Größe und dass ich sie „nur“ zusammen mit den Nieten bestellen brauchte. Die alten Nieten herausbohren, die neuen Beläge mit den neuen Nieten aufnieten und das Ganze in umgekehrter Reihenfolge wieder zusammenbauen.  Pustekuchen!

Bei den einschlägigen Bremsenspezialisten im Netz sagte man mir, dass es zig verschiedene Teilenummern gäbe und man nicht genau sagen könne, ob die Beläge passten. O.K., dann halt doch den einfachen und vermeintlich teureren Weg über Daimler. Ein Anruf bei der offiziellen Vertretung meines Vertrauens lässt dieses aber auch gleich schwinden. Nach langem Schweigen im Walde am Telefon kommt die Aussage, dass in einem Auto wie dem meinen Bremsanlagen zweier Hersteller für die Bremsanlagen infrage kämen und man nicht genau sagen könne, welche denn nun bei mir verbaut sei. Super! Außerdem müsse man noch wissen, ob es sich bei den Bremsen um das Grundmaß oder um Reparaturstufe 1, 2 oder 3 handle? Aber egal um welche Anlage es sich handle, wären Bremsbeläge für den Mercedes 914 AK sowieso nicht verfügbar und auch nicht bestellbar. Ich solle mich doch bitte an die einschlägigen Zulieferer wenden.
Danke!

Also doch wieder zurück ins Netz und weiter geforscht. An anderer Bremsenstelle klärt man mich auf, dass es da durchaus unterschiedliche Beläge gebe, zum Beispiel sogenannte Sichelbeläge, die leicht keilförmig seien und die dementsprechend richtig oder falsch verbaut werden könnten ... 
Am einfachsten sei es, wenn man die Teilenummern auf den verbauten Belägen hätte, dann könnte man da schon eher was machen.

O.K., ausgebaut waren die Dinger ja, weshalb ein prüfender Blick darauf möglich war. Nur, dass auf und an den Belägen natürlich rein gar nichts mehr zu erkennen war, am allerwenigsten eine Teilenummer. Etwas hilflos erkundige ich mich bei den Schraubern meines Vertrauens, was in meinem immer hoffnungsloser scheinenden Fall denn nun zu tun sei? Schließlich erhalte ich den Tipp von Fabian Heidtmann, mich mit meinem Problem an die Firma Bremsen Schöbel in Nürnberg zu wenden. Die bremsen für ihr Leben gern.

Gesagt, getan. Bei Schöbels klärt man mich darüber auf, dass die Breite und Dicke der Bremsbeläge passen muss, auch die Krümmung und das Lochmuster der Beläge müssen mit den Bremsbacken übereinstimmen und man müsse den Durchmesser der Bremstrommel wissen. Am besten wäre es aber, ich würde die Bremsbacken einschicken, dann könnte man auf jeden Fall die richtigen Beläge bestimmen und diese auch gleich auf die Backen nieten.

Um ein Trial and Error-Erlebnis zu vermeiden, lasse ich mich darauf ein, denn so hatte ich wenigstens die Gewissheit, die richtigen Bremsbeläge zu bekommen. So schickte ich meine Bremsbacken mit den alten Belägen nach Nürnberg und erhielt sie eine gute Woche später mit den neuen Belägen und einer Rechnung über 370 Euro zurück. Uff, auch unter finanziellen Gesichtpunkten hatte ich mir das Ganze etwas weniger aufgebläht vorgestellt, aber die Zeiten ändern sich und mit ihnen wohl auch die Preise. Wenn man bedenkt wie günstig Bremsbeläge für Scheibenbremsanlagen sind und wie einfach diese getauscht werden können, dann wünscht man sich auch in dieser Hinsicht lieber Scheibenbremsen.

Doch will ich hier keine dicken Backen machen, denn nach der Montage der Bremsen flutschen die Bremstrommeln darüber und die erste Probefahrt zeigt erfreuliche Bremsleistung an meinem Sternchen. So darf man sich bei Bremsen Schöbel in guten Händen fühlen und der relativ hohe Preis kommt natürlich auch dadurch zustande, dass ja jemand 64 Nieten herausbohren und 64 neue vernieten musste. Eine Arbeit, die ich mir damit sparen konnte, was allerdings nicht zum Geld sparen beitrug.

Bei Bremsen Schöbel wird übrigens nicht nur gebremst, sondern auch überholt: Zum Beispiel Radbremszylinder, zerschlissene Kupplungen und ausgelutschte Druckluftkompressoren. Auch sämtliche Druckluftkomponenten, von Schläuchen und Ventilen bis hin zu neuen Luftpressern führt Schöbel im Programm. Und ganz besonders hat man sich dem Aufbereiten oder Beschaffen von (Bremsen-)Teilen für Oldtimer verschrieben. Sollte also einer meiner Leser ein größeres Problem mit den Bremsen oder anderen Teilen seines Alteisenhaufens haben, könnte er bei Bremsen Schöbel fündig werden.

 
Die neuen Bremsbeläge sind auf den Bremsbacken genietet.

Was lernen wir nun aus dieser Beschaffungs-Geschichte? Für Fern- und Weltreisende kann es durchaus sinnvoll sein, sich vor der Reise um seine Bremsen zu kümmern und ggf. einen Satz neuer Bremsbeläge in die Ersatzteilkiste zu legen. Denn wenn sich die Beschaffung in Deutschland schon so schwierig gestaltet, wie wird das dann erst im fernen Ausland? Wer sich dort also wochenlanges Herumsuchen ersparen möchte, ist gut beraten, sich schon vorher mit Bremsteilen zu bewaffnen.

Vielleicht hat ja jemand im außereuropäischen Ausland schon mal neue Bremsbeläge benötigt und kann mir seine Erfahrungen mit der Beschaffung mailen. Es könnte nämlich auch sein, dass sich dort alles viel unkomplizierter gestaltet.

5. Einbau der neu belegten Bremsbacken in umgekehrter Reihenfolge

Einbau unten: Beim Einbau der neuen Bremsbacken sollte man die unteren Führungsbolzen leicht einfetten, damit sich die Bremsbacken gut drehen können. Eine dicke Fettschicht ist allerdings  unbedingt zu vermeiden, um zu verhindern, dass durch die Hitzeentwicklung beim Bremsen das Fett flüssig wird und in die Bremstrommel tropft.

Nach dem Einsetzen der frisch belegten Bremsbacken schlägt man mit dem Gummihammer die unteren Führungsbolzen so weit ein, dass gerade noch die Nut in den Führungsbolzen für das keilförmige Sicherungsblech übersteht. Nun verdreht man die Führungsbolzen so lange, bis sich die Ausfräsungen in der Nut für das Sicherungsblech gegenüberstehen, so dass das Sicherungsblech eingesetzt werden kann.


Die Bolzen sollte man vor dem Einbau reinigen und ganz leicht fetten.

Danach dreht man die Schraube mit ihrem dünneren Sicherungblech ein, zieht sie fest und fixiert sie mit dem Sicherungsblech.


Das Sicherungsblech muss wieder eingesetzt und fixiert werden.

Fixierung der Bremsbacken oben: Bevor die Bremsbacken oben fixiert werden, sollte man die beiden Kolben des Radbremszylinders zurück in diesen pressen. Durch die Abnutzung der alten Bremsbeläge sind die Kolben um einige Millimeter aus dem Gehäuse hervorgetreten und spreizen die Bremsbacken zu weit auseinander, als dass man die Bremstrommel über die Bremsbacken mit den neuen, dickeren Bremsbelägen schieben könnte. Deshalb müssen die Kolben gleichmäßig und vorsichtig mit einer großen Zange zurück in das Radbremszylindergehäuse bugsiert werden. Dabei ist auch darauf zu achten, dass man die Gummimanschetten nicht verletzt. Diese sollten sowieso vor dem Einbau auf ihre Unversehrtheit hin untersucht und im Zweifel ausgetauscht werden. Genauso wie die Zugfedern, wie bereits oben beschrieben.


Am Radbremszylinder werden die Bremsbacken in die Führungsbleche eingeklickt.

Die Bremsbacken werden oben nur am Radbremszylinder von den Führungsblechen gehalten, in die sie eingesetzt werden. Fixieren kann und sollte man die Bremsbacken dann wieder links und rechts mit einem - nun flacheren - Holzstück, so dass sie beim Hineinhebeln der Zugfedern nicht nachgeben können.


Besonders beim Einbau der Federn macht sich der Holzkeil hilfreich bemerkbar.

Im Bild hier gut erkennbar, dass ich den Hebel zum Einhängen der Zugfedern deutlich verlängert habe, um die Federkraft zu überwinden. Nach dem Einhängen der beiden Federn kann der Holzkeil entfernt und die Bremstrommel aufgesteckt werden. Rad drauf, über Kreuz mit dem richtigen Drehmoment festziehen. Fertig.

Ich hoffe, Dir hat das Lesen dieser kleinen Reparaturgeschichte mehr Spaß gemacht, als mir die Schrauberei selbst. Denn die Odyssee nach den Bremsbelägen war zermürbend und was ich bei schönen Wetter begonnen hatte, musste ich teilweise bei strömendem Regen vollenden. Das hat mich in Ermangelung einer Halle gezwungen, das Sternchen mit einer Plane abzudecken. Gutes Timing für solche Arbeiten ist also auch ratsam.





 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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